Mussolini im Berghotel Campo Imperatore
Die Nachrichtenstelle Kappler übermittelte
General Student jedoch plötzlich die Meldung, daß sich Mussolini
höchstwahrscheinlich auf dem Gran Sasso befände. Student bezweifelte zunächst
diese Meldung, obwohl die Zuverlässigkeit Kapplers Nachrichtendienst durchaus
bekannt war. Womöglich stand die Gran Sasso-Nachricht im Widerspruch zu der
als gesichert geltenden Annahme Mussolini würde den Amerikanern ausgeliefert
werden. Student glaubte nicht daran, das Mussolini auf dem Festland
untergebracht wurde, doch gab es durchaus italienisch-amerikanische Pläne eine
Luftlandung im Raum südlich von Rom durchzuführen, die durchaus im Einklang
mit der italienischen Absicht stand, Mussolini auszuliefern. Doch
deutscherseits glaubte man nicht an diese Variante. Selbst Student verwarf
einen Gedanken daran, daß, falls die Meldung Gran Sasso stimme, ein
Zusammenhang mit einer alliierten Landung bei Rom bestünde.
Doch nun spielte zum 3. Mal der Zufall mit. Kurz nach dem Eintreffen der
Meldung Gran Sasso, begab sich General Student zu der gerade eingetroffenen
Seelfliegerstaffel am Bracciano-See, die ihn für eine mögliche
Befreiungsaktion unterstellt wurde. Während des Rundgang und der üblichen
Kostprobe an der Feldküche, erzählte ihm der Staffelkapitän ganz nebenbei eine
Begebenheit der letzten Tage.
Einige Tage zuvor sei Fliegeralarm
gegeben worden - General Student hört nun interessiert zu - doch kamen keine
Flugzeuge. Statt dessen ein weißes Sanitätsflugzeug, das auf dem Bracciano-See
wasserte. Danach sei ein Sanitätskraftwagen, nebst anderen Fahrzeugen in
schneller Fahrt in Richtung Rom abgefahren. Im Flughafen selbst habe dann das
Gerücht geherrscht der Duce wäre in dem Sanitätskraftwagen befördert worden.
General Student begab sich daraufhin sofort
nach Frascati zurück. Auf der Fahrt wurde er sich bewusst, das die Person die
er befreien sollte, worüber er sich wochenlang Gedanken machte, auf dem See an
der Einheit vorbeifuhr, die extra für dessen Befreiung angefordert wurde. Doch
die Einheit wusste ja nichts von ihrem Auftrag. Somit war die absolute
Geheimhaltung die Ursache für das Nichtnutzen dieser einzigartigen Chance.
Student wartete nun nicht mehr die Erlaubnis Hitlers ab, sondern wollte keine
Zeit mehr verlieren.
Der Gran Sasso ist das höchste Bergmassiv
der Abruzzen. Auf einem seiner südlichsten Gipfel lag, in einer Höhe
von 2120 Metern Höhe das kleine, neu erbaute Sporthotel Campo Imperatore. Es
war aus Holz im Blockhausstil errichtet. Eine elektrisch betriebene
Drahtseilbahn führte von der Ortschaft Assergi hinauf. Das Hotel selbst war
das einzigste Bauwerk auf dem Berg.
Den Duce zu befreien war angesichts der
Geländeschwierigkeiten und der starken Bewachung (wie man später feststellte
wurde der Duce von 600 Karabinieri bewacht, ferner bestand eine direkte Funk-
und über Assergi eine Fernsprechverbindung mit Rom.
Zunächst brauchte man brauchbare Luftbilder des Hotels und der Umgebung. Diese
Aufklärungsflüge mussten natürlich so getarnt werden, das die Italiener keinen
Verdacht schöpften. Derjenige der diese Flüge durchführen sollte musste
einerseits ein hervorragender Aufklärungsoffizier sein und andererseits das
vollste Vertrauen General Students genießen.
Dies alles traf auf Hauptmann Langguth, dem Ic des Korpsstabes zu. Der
Hauptmann führte den Aufklärungsflug am 08.09.1943 durch, der Tag an dem die
Alliierten bei Salerno landeten und Italien als Bündnispartner abfiel. Um
diesen Flug zu tarnen verwendet man anstatt eines hochwertigen
Aufklärungsflugzeuges eine "unscheinbare"
He 111.
Auf einer Höhe von 4200 Metern überflog er und sein "Gast" Skorzeny,
den Gran Sasso und macht mit einer 21-cm-Kamera eine Reihe brauchbarer
Luftaufnahmen. Aus den ersten Betrachtungen der Bilder wurde schnell klar, das
sich das Unternehmen nur mit dem Einsatz von kleinen Sturmseglern, die ihre
Bewährungsprobe bei der Eroberung des Forts Eben Emael 1940 hatten,
durchführen ließ.
Gleichzeitig sandte Student den Stabsarzt Dr. Krutoff zur persönlichen
Erkundung auf den Gran Sasso, mit dem Auftrag zu erkunden, ob das Campo
Imperatore als Erholungsheim für Fallschirmjäger geeignet und ob es zur Zeit
belegt sei. Dr. Krutoff war dafür besonders geeignet, da er fließend
italienisch sprach und über ein gewandtes Auftreten verfügte.
Bei seiner Rückkehr berichtet er das das Hotel seit einigen Tagen geschlossen
und die Drahtseilbahn für den öffentlichen Verkehr gesperrt sei. Weiterhin
hatte er bei der zuständigen italienischen Sanitätsdienststelle in Rom
herausgefunden, das im Hotel bisher ständig Plätze für deutsche Soldaten
freigehalten wurden und das diese Vergünstigung einige Tage zuvor aufgehoben
wurde. Somit wurde die Annahme, Mussolini befinde sich auf dem Gran Sasso,
weitgehend bestätigt. Ein Irrtum war kaum mehr möglich.
Dr. Krutoff machte seine Aussagen am 08.09.1943, dem Tag an dem Italien
abfiel. Von nun an war Student und sein Stab vollends mit dem Fall "Achse"
und dessen Ausführung beschäftigt. Die Befreiung Mussolinis traten somit
zunächst in den Hintergrund.
Mussolini wurde an einem der letzten Augusttage von Maddalena zum
Bracciano-See geflogen. Von dort wurde er nach Rom gebracht, wo er aufgrund
seines Gallensteinleidens von einem Spezialisten untersucht wurde und am
gleichen Tag nach Assergi gefahren wurde. Dort blieb er bis zum 06.09.1943 bis
das Berghotel für ihn aufnahmebreit war. Noch am gleichen Tag wurde er ins
Hotel gebracht.