am 10. Juli 1944
legte der Leiter des Projektbüros der Heinkel-Werke,
Siegfried Günter, seinen Bericht 105/44 mit dem Titel " P 1073,
Strahljäger" den zuständigen leitenden Herren des Werks in Rostock und
Wien vor, in diesem hieß es u. a.:
"Die Erreichbarkeit der
Luftüberlegenheit hängt außer vom Zahlenverhältnis der Einsitzer auch von
den Flugleistungen, insbesondere der Geschwindigkeit der Einsitzer, ab.
Sollten feindliche Strahleinsitzer eingesetzt werden, so ist mit einer
Überlegenheit der Me 262 mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zu rechnen,
weil deren herkömmliche Bauweise mit ungepfeiltem Flügel und ihre
Anordnung der Motorgondeln am Flügel zu große Widerstände ergibt ... In
Bodennähe ist der Kraftstoffverbrauch sehr groß und die Reichweite klein.
Aus diesem Grunde ist es notwendig, sich auf ein einsitziges Flugzeug mit
möglichst kleiner Ausrüstung und nicht zu kleinem Anteil des Kraftstoffes
am Gesamtgewicht zu beschränken."
Günter hatte für
das von ihm vorgeschlagene Projekt P 1073 mit zwei verschiedenen Triebwerken
folgende Leistungen errechnet: mit Heinkel He S 11 (noch in Entwicklung)
Höchstgeschwindigkeit 1010 km/h, Flugstrecke mit normalem Tankinhalt: 1000 km,
desgleichen mit Zusatzbehälter: 1650 km, Höchstgeschwindigkeit (mit Jumo 004
C): 940 km/h
die Diskussion bei Heinkel über dieses Projekt
war noch im Gange, als am 8. September 1944 das
Reichsluftfahrtministerium (RLM) eine Ausschreibung für einen Strahljäger mit
einem Triebwerk an Blohm & Voss, Focke-Wulf, Heinkel und Junkers herausgab,
die Ausschreibung ging bei dem Chefkonstrukteur von Blohm & Voss am 10. September ein, bei Heinkel hatte man schnell
geschaltet und griff auf Günters Projekt 1073 zurück, änderte den Entwurf
entsprechend den Anforderungen des RLM und reichte bereits am 11. 9. die Entwürfe P. 1073-01-18 und P.
1073-01-20, beide mit BMW-003A-1Triebwerk, ein, am 12.
September erhielt Dr. Vogt (Blohm & Voss)
ein Telegramm des Oberkommandos der Luftwaffe (OKL), in dem die Einreichung
eines Entwurfs gemäß Ausschreibung vom 8.9. bis
zum 14.9. gefordert wurde, Focke-Wulf,
Messerschmitt und Junkers lehnten den Auftrag ab, nur Arado legte termingemäß
den Entwurf E. 580 vor, dazu kamen das Projekt P. 210 von Blohm & Voss und das
Heinkel-Projekt, bereits am 15. 9. legte Dr. Vogt ein verbessertes Projekt P. 211 vor,
über die an diesem Tage bei RLM stattgefundene Besprechung liegt folgende
Niederschrift vor:
"Startstreckenforderung: Rollstrecke 500
m nicht erreichbar, Arado- und Heinkel-Projekte weisen nur 20 Min.
Flugzeit in Bodennähe auf, BV-Projekt bestechend in Form und Bauweise;
billig und zweckmäßig, Baumaterial in der Hauptsache Holz und Stahl, da
diese Gesichtspunkte den Forderungen am besten entsprechen, müsste das
Flugzeug gebaut werden, zeichnerische Unterlagen müssen zwei Monate nach
Auftragserteilung ausgeliefert werden, nach weiteren zwei Monaten soll der
Erstflug erfolgen, der Entscheid des Reichsmarschalls fällt auf das
Heinkel-Projekt, die kurzen Terminforderungen können nur von den
Ernst-Heinkel-Flugzeugwerken eingehalten werden, da in diesem Werk die
nötige Kapazität frei ist."
am 19. September
fand dann beim Technischen Amt (GL/C) des RLM eine Besprechung unter Vorsitz
des Generalingenieurs Lucht statt, an der
Vertreter folgender Firmen teilnahmen: Arado, Blohm & Voss, Focke-Wulf,
Fieseler, Junkers, Siebel, Heinkel, sämtliche Firmen, bis auf Heinkel und BV,
reichten neue Projektausarbeitungen ein, die nach eingehender Prüfung
abgelehnt wurden, das Projekt von Siebel wurde nur kurz erläutert, das von
Heinkel dagegen von vornherein akzeptiert
wie immer, arbeitete man bei Heinkel sehr
schnell, bereits am 15. Oktober 1944 war die
komplette Baubeschreibung der He 162 fertig, zwei Tage später erfolgte die
abschließende Besprechung zwischen den Herren vom Technischen Amt und der
Firma Heinkel, als Termin für die Festigstellung des ersten Musterflugzeugs,
der He 162 V 1, wurde der 10. Dezember 1944
festgesetzt
bereits am 6. Dezember
konnte Flugkapitän Peter zum Erstflug starten, am
ursprünglichen Fertigstellungstermin, dem 10. 12.,
trat dann aber eine Katastrophe ein: Bei einem Bahnneigungsflug mit zehn Grad
Neigung stürzte die He 162 V 1 mit einer Geschwindigkeit von etwa 700 km/h aus
etwa 100 m Höhe ab, die rechte Tragflächennase hatte sich abgelöst,
desgleichen das rechte Querruder, mit ungewöhnlich schnellen Rollbewegungen
rechtsdrehend, raste die Maschine erdwärts, Flugkapitän
Peter war tot
trotzdem gab man nicht auf, da man die Ursachen
für den Absturz einwandfrei feststellen konnte: schlechte Verleimung, zu
schwache Nasenrippen, falscher Werkstoff bei Teilen des Querruderlagers usw.,
bereits am 22. Dezember stand He 162 V 2 zum
Erstflug bereit, der von Direktor Francke, dem
ehemaligen Testpiloten von Rechlin, jetzt Heinkel-Direktor, durchgeführt
wurde, es traten keine ernsten Komplikationen auf, bis zum 16. Januar 1945 waren auch V 3 und V 4 fertig,
die Erprobung begann sofort, inzwischen lief auch der Serienbau an
bereits am 20. Januar
1945 waren in Rostock-Marienehe 34 Rümpfe fertiggestellt, es stellte
sich heraus, daß die von Zulieferanten gefertigten Holzbauteile sämtlich
verstärkt und nachgearbeitet werden mussten, ein Meister, ein Vorarbeiter und
zwanzig Spezialtischler mussten für diesen Zweck eingesetzt werden, wenn man
berücksichtigt, daß zu diesem Zeitpunkt die gesamte Luftfahrtindustrie und das
deutsche Verkehrsnetz unter laufenden Tag- und Nachtangriffen der alliierten
Luftflotten litten, so muss man die Leistung der Heinkel-Werke besonders hoch
veranschlagen, am 22. und
23. begann der Flugbetrieb mit He 162 V 2 und V 3
am 27. Januar
meldete Heinkel, Rostock, daß die geplante Ausbringung von dreißig He 162 im Januar 1945 unmöglich sei, die Einzelteile, die
ja dezentralisiert hergestellt wurden, kamen nicht heran, außerdem zeigte
sich, daß die Flächen verstärkt werden mussten, Francke
ordnete an, daß die ersten Serienmaschinen nicht schneller als mit 500 km/h
geflogen werden durften
am 28. Januar 1945
wurde auch die He 162 V 5 fertig, die dann als erste Serienmaschine die
Bezeichnung He 162 A-01 erhielt, Francke gab dann
am 30. Januar einen ausführlichen Bericht über
die von ihm ermittelten Flugeigenschaften der He 162, die zu Änderungen,
insbesondere an der Höhenflosse und der Fläche, führten
die Fertigung der einzelnen Großbauteile der He
162 erfolgte neben anderen Zulieferanten in dem unterirdischen ehemaligen
Kreidebergwerk "Languste", das sich in Mödling bei Wien befand, am 4. Februar stürzte die He 162 A-02 beim elften
Flug ab, es zeigte sich, daß die He 162 Neigung zum Abkippen über den Flügel
hatte, was weitere Änderungen erforderlich machte, trotzdem gab Francke am 5. Februar
einen grundsätzlich positiven Bericht über die He 162, lediglich die
Stabilität um die Querachse ließ er noch offen, Rostock meldete am gleichen
Tage zwei He 162 im Flugbetrieb, 12 klar zur Triebwerkserprobung, 71 Rümpfe
fertig, und weitere 58 Rümpfe in Vormontage, drei Tage später machte die He
162 V 4 beim 18. Werkstattflug eine Außenlandung, die mit einem
vierzigprozentigen Bruch endete, am 11. Februar
ließen sich in Wien der General der Jagdflieger, Oberst
Gollob und Oberstleutnant Dahl sowie zwei
Vertreter der Erprobungsstelle Rechlin über den Stand der He-162-Produktion
unterrichten, hierbei wurde festgestellt, daß mit Einsatzflugzeugen frühestens
in der zweiten Aprilhälfte 1945 zu rechnen sei,
Ende Februar sollte eine Staffel der II./JG 1 nach Wien in Marsch gesetzt
werden, um sich mit der von "Languste" gelieferten He 162 vertraut zu
machen, die in Parchim liegende I./JG 1 sollte mit Flugzeugen aus Rostock und
Bernburg ausgerüstet werden, beanstandet wurde die ungenügende Reichweite des
bei der He 162 eingebauten FuG (Funkgerät) 24, Gollob
forderte weiterhin serienmäßige Ausrüstung mit Variometer und Zielkamera, der
zu diesem Zeitpunkt in Wien arbeitende Professor
Lippisch bot sich am 15. Februar 1945 an,
Verbesserungsvorschläge für die He 162 auszuarbeiten, dazu kam es jedoch nicht
mehr
am 28. Februar 1945
wurde vom Jägerstab ein Jägernotprogramm aufgestellt, wonach folgende
Baumuster als Versuchsbauten ausgeführt werden sollten: Blohm & Voss P 212,
Focke-Wulf Ta 183/1 und Ta 183/11, Heinkel P. 1078, Junkers EF 128 und die
Messerschmitt-Projekte 1101, 1110 und 1111, es kam nur noch zum Bau einer
Attrappe der Me P. 1101, diese wurde später nach den USA gebracht und führte
zum Bau des amerikanischen Strahlflugzeugs Bell X-5, alle anderen Projekte
konnten nicht mehr verwirklicht werden, inzwischen hatten sich aber andere
Leute für das "Volksjäger"-Projekt interessiert,
Hitler erhielt bereits am 25. September 1944
Nachricht über eine Einheit der SS, die mit dem "Volksjäger" He 162
ausgerüstet werden sollte, der damalige Führer des Nationalsozialistischen
Fliegerkorps (NSFK), der ehemalige Chef der Luftflotte 1, Generaloberst Alfred Keller, erhielt Wind von der Sache, zog
den Reichsjugendführer Axmann hinzu und trug
Reichsmarschall Göring den Vorschlag vor, den "Volksjäger",
der ja zu Tausenden hergestellt werden sollte, von Segelfliegern der
Hitlerjugend fliegen zu lassen, ein entsprechender Schulverband ist auch
tatsächlich in Trebbin aufgestellt worden, es wurden He 162 ohne Triebwerk
dorthin geliefert und von Hitlerjungen im Schlepp geflogen, die weiteren
Kriegsereignisse verhinderten, daß jemals ein Hitlerjunge eine He 162 fliegen
musste, was nach Lage der Dinge nur zu tödlichen Unfällen geführt hätte
bei der Luftwaffe war bereits im Januar 1945 ein Erprobungskommando He 162 beim JG
3 unter Oberstleutnant Bär erst in
Rechlin-Roggenthin, dann in Lechfeld aufgestellt worden, die Einweisung des
Bodenpersonals erfolgte auf der Fliegertechnischen Schule 6 in Neuenmarkt und
Weidenberg bei Bayreuth, die I./JG 1 unter Oberst
Ihlefeld begann mit der Schulung, unterwiesen durch Werkpiloten, Ihlefeld verlegte, soweit bekannt, mit seinem
Stab zur weiteren Einsatzerprobung nach Lechfeld, er soll dort nach Aussage
seines Rottenfliegers Sill aus Kirchheim/Teck mit
der He 162 einen Abschuss erzielt haben, Oberstleutnant
Bär ging von Lechfeld dann zu dem von Galland
geführten Jagdverband 44, Galland lehnte übrigens
den Volksjäger ab, Gollob und Dahl haben ihn in Wien-Schwechat geflogen und
recht gut beurteilt
am 6. Februar 1945
begann die Umrüstung der I./JG 1 auf die He 162 in Parchim, die Gruppe war zu
diesem Zeitpunkt nur noch so stark wie eine Staffel, am
7. Februar wurden die letzten FW 190 in Garz auf Usedom abgestellt, von
dort aus waren nur noch einige Tiefangriffe gegen englische Verbände geflogen
worden, am 9. Februar trafen die ersten He 162
aus Rostock, Major Richter von der
Erprobungsstelle Rechlin und drei Fliegeringenieure von Rechlin in Parchim
ein, die Einweisung des fliegenden und des technischen Personals zog sich dann
bis zum 31. März 1945 hin, das Durcheinander bei
bereits Auflösungserscheinungen zeigenden Führungsstellen der Luftwaffe führte
zu einem ununterbrochenen Wechsel von Verlegungsbefehlen: von Parchim nach
Köthen, von dort nach Parchim zurück, dann nach Ludwigslust, nach Husum, und
schließlich nach Leck in Holstein, wo die Gruppe unter Führung von
Oberleutnant Demuth am 16.
April 1945 eintraf, obwohl auf dem Weg von Husum nach Leck Begegnungen
mit alliierten Verbänden stattfanden, wurde auf Befehl des I. Jagdkorps jede
Kampfhandlung vermieden und unter Ausnutzung der überlegenen Geschwindigkeit
von rund 800 km/h jedem Gefecht ausgewichen
inzwischen war auch die Umrüstung der II./JG 1
durchgeführt worden, sie stand unter Führung von Hauptmann Dähne, der im April 1944
nach seinem 74. Abschuss das Ritterkreuz erhalten und Ende Februar die Gruppe
übernommen hatte, Dähne stürzte am 24. April 1945 im Raum Warnemünde mit einer He
162 tödlich ab, nach seinem Tod übernahm Major Zober
die II./JG 1, zusammen mit dem Geschwaderstab und Kommodore Oberst Ihlefeld verlegte dann die Gruppe am 3. Mai 1945 ebenfalls nach Leck, da noch nicht
ausreichend Flugzeuge vorhanden waren, weil diese sich zum Teil noch in
Parchim befanden, nahm Oberst Ihlefeld erst eine
neue Gliederung des Geschwaders vor, die Ausbildung der Piloten wurde in
Parchim durchgeführt, es handelte sich im Grunde nur um eine Schnellumschulung
von FW 190 oder BF 109 auf He 162, zweisitzige Schulmaschinen standen nicht
zur Verfügung, anhand der Bedienungsvorschrift wurde dem Piloten am Boden
jeder erforderliche Griff erklärt, nach zwanzig Minuten Flugzeit musste er die
Maschine beherrschen
der erste Kampfeinsatz des JG 1 ist, soweit
bekannt, von der I./JG 1 am 26. April 1945
durchgeführt worden, der Auftrag lautete: Bekämpfung feindlicher Tiefflieger,
dabei erzielte Unteroffizier Rechenbach einen
Abschuss, Rechenbach ist wahrscheinlich noch am 26. April 1945 gefallen, für seinen Abschuss sind
zwei Zeugen vorhanden: Oberleutnant Demuth und
Stabsintendant Siegfried, einen weiteren Abschuss
erzielte Leutnant Rudi Schmitt von der I./JG 1 am 4. Mai 1945, ihm gelang es, eine Hawker "Typhoon"
abzuschießen
dann aber kam sehr schnell das Ende, am 4. Mai konnte Major Zober
noch fünfzig einsatzbereite He 162 A-2 bei der I./JG 1 melden, am nächsten Tag
trat der Befehl der Luftflotte Mitte zur Waffenruhe um 8.00 Uhr in Kraft, denn
am 4. Mai 1945 hatte Generaladmiral von Friedeburg im Hauptquartier des britischen
Feldmarschalls Montgomery in der Lüneburger Heide
das Dokument über die Kapitulation aller deutschen Streitkräfte in Holland,
Nordwestdeutschland einschließlich der Inseln und in Dänemark unterzeichnet
in die noch vorhandenen He 162 wurden
Sprengladungen eingebaut, auf Befehl der Luftflotte Mitte mussten im Hinblick
auf die Kapitulationsbedingungen die Maschinen aber unversehrt übergeben
werden, die Sprengladungen wurden daher gegen Mitternacht wieder entfernt, am 6. Mai rollten britische Panzer auf den Flugplatz
Leck, Offiziere und Mannschaften räumten ihre Unterkünfte und zogen für die
nächsten Wochen in das Barackenlager Schmörholm, zwei Tage später erschienen
zwei Kommandos, ein englisches und ein amerikanisches, sie übernahmen die
Flugzeuge des JG 1
die Alliierten hatten starkes Interesse, die
deutschen Strahlturbinenflugzeuge in die Hand zu bekommen, ein amerikanischer
General hat später offen erklärt, daß die deutschen Entwicklungsarbeiten auf
dem Gebiet der Strahlflugzeuge und Raketen den Alliierten zwanzig Jahre
Entwicklungsarbeit erspart hätten
so ist es auch zu erklären, daß noch heute
einige Exemplare des Typs Heinkel He 162 erhalten sind, größtenteils He 162
A-2 der Serie 120, die Werknummer 120222 befindet sich im Smithsonian
Institution in Washington, D.C. Nr. 120077 im Ontario Air Museum in
Kalifornien, eine Maschine steht jetzt im Musee de L'Air in Frankreich, Nr.
120086 wurde als erste He 162 1945 im Londoner Hyde Park ausgestellt, Nr.
120097 war 1945 in Farnborough intensiv getestet
worden, Nr. 120227 steht jetzt im R.A.F.-College in Cranwell und Nr. 530552 in
der R.A.F.-Station Colerne, 1965 hoffte man, aus
England eine He 162 für das Deutsche Museum zu erhalten, das ist bisher noch
nicht geschehen